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"Ich liebe meine Galeristin"
Stefan Thiel
"Ich liebe meine Galeristin". Mit diesem heiteren Zitat lädt Stefan Thiel, Balmoral-Stipendiat in 2004, ein, seine Lebenserfahrung und sein Werk zu entdecken. Ein Werk, das in eine Märchenwelt entführt und dies gleich in mehrfacher Weise:
Die Technik des "Cut-out" - zu deutsch des Ausschneidens - ist mit dem Scherenschnitt artverwandt. Unweigerlich entstehen Assoziationen mit jenen Scherenschnitten des Biedermeiers, deren zartes Spitzengeflecht den Betrachter verzaubert. Der Zauber ist geblieben, die Themen haben sich gewandelt, denn Stefan Thiel stellt die Wunschwelt von heute dar: Mannequins in traumhaften Roben, die Welt der Comics mit Superstars, tolle Schlitten und utopische Stadtbilder, aber auch stille Waldstücke. Erstaunlich ist das Format: was früher klein und zierlich war, ist entsprechend unserer Sehgewohnheiten groß, sehr groß.
Ein Blendwerk? Vielmehr eine Hinterfragung, was unter der Oberfläche ist. Denn was wir wahrnehmen ist die äußere Hülle, als Schatten des verborgenen, lichten Kerns, den es zu entdecken gilt.
Dazu braucht es Geduld. Dafür steht auch die Machacht: Fleiß ist am Werk. So erstaunt es nicht, dass Stefan Thiel in seinen Anfängen die 120 Tage von Sodom des Marquis de Sade in Blindenschrift übertrug und somit die Sinnlichkeit des Inhalts formal umsetzte.
Wer an die Oberfläche kratzt, will sehen, was dahinter ist und verletzt sie. Eine Geste, die kunstgeschichtlich mit Fontana in Verbindung steht. Andererseits entstehen Cut-outs durch das Wegschneiden, was wiederum mit dem "weg" meißeln des Bildhauers zu tun hat. In beiden Fällen entsteht die Form durch das Wegnehmen. Weniger ist demnach mehr. In diesem Sinne erscheinen die so anregenden Motive von
Stefan Thiel als eine Anleitung zur Gestaltung der eigenen Welt.
Wie sich seine Welt gestaltet, wie Privates die Arbeit bedingt, die unmittelbare Umgebung seine Kreativität anspornt, persönliche Erfahrungen seine Pläne durchkreuzen, das alles erfahren Sie in lockerer Atmosphäre beim nächsten Kunst live am 27. Juli aus dem Blickwinkel des Künstlers selbst.
Balmoral freut sich auf Ihren Besuch
Kurzvita:
Stefan Thiel ist 1965 in Berlin geboren, wo er lebt und arbeitet. Er hat von 1988 - 94 die Hochschule der Künste Berlin besucht und ist Meisterschüler von Dieter Appelt. Gleich nach Abschluss erhält er 1994 den 2. Preis im Wettbewerb um das Berliner Mauerdenkmal. Er hat an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teilgenommen und ist in namhaften Galerien wie Mai 36 in Zürich, Nächst St. Stephan in Wien, Jesco von Puttkamer in Berlin vertreten.