2005 - Kunst im öffentlichen Raum

Barrierefrei: Dieser Skulpturenweg ist barrierefrei.

Ansprechpartner: Herr Jürgen Picard, Tel.: 06307-337

Beschreibung
Bildhauersymposien und Skulpturenwege sind Phänomene der Kunstentwicklung seit den 1960er Jahren, beide haben als Gestaltungsorte zeitgenössischer Plastik meist eng miteinander zu tun. Auch der Verein Skulpturenweg Rheinland-Pfalz e.V. hat sich in seinem topographisch expandierenden Bestreben aus der Idee eines 1986 erstmals bei Kaiserslautern veranstalteten Symposions entwickelt. Nach zwanzig Jahren erscheint eine kritische Standortbestimmung notwendig und auch eine gewisse kunsthistorische Einordnung zeichnet sich mit zunehmender zeitlicher Distanz langsam ab.

Worum geht es? "Kunst im Freien" oder "Skulptur und Landschaft" lauten meist die Überschriften, die jedoch nur vom eigentlich bestimmenden und treffenden Terminus der "Kunst im öffentlichen Raum" ablenken. Diese Bezeichnung meint eben dezidiert den Gegensatz zum Privatraum und dem Kunsterlebnis im abgeschlossenen musealen Bereich, zielt im Grunde auf die Agitation der Kunst für alle.
Für die Herleitung des Begriffs ist interessant, dass in den 70er Jahren erstmals ein eigener Etattitel des Bundeslands Bremen als "Kunst im öffentlichen Raum" benannt wurde. Zweifellos ist damit dem Unbehagen an einer ausschließlich architekturgebundenen "Kunst am Bau" Rechnung getragen und gibt daneben dem Drängen der Künstler aus den Ausstellungsräumen hinaus in die Öffentlichkeit Stimme. Eine wesentliche Rolle dabei spielen natürlich auch basisdemokratische Forderungen der 68er Bewegung an die Kunst - der Zeitgeist forderte die gesellschaftliche Wirkung des Kunstwerks durch direkt mögliche öffentliche Rezeption.

"Kunst im öffentlichen Raum" meint zunächst ganz allgemein alle öffentlich zugänglichen Orte, städtische Straßen, Plätze oder Institutionen, aber eben auch außerstädtische Wirkungsorte in der Landschaft. Kennzeichen einer so spezifisch platzierten Kunst ist selbstverständlich auch das Eingehen des Werkes auf die Bedingungen des Standorts: hier geht es um stadt- oder landschaftsplanerische Indikationen, architektonische Vorgaben, ja sogar gesellschaftspolitische oder soziale Begleiterscheinungen. Jedenfalls hat die Auseinandersetzung der Künstler mit den Anforderungsprofilen des öffentlichen Raumes zu völlig neuen plastischen Konzepten geführt, man spricht nun unter anderem von der "standortspezifischen Installation".

Die Quellen und Entwicklungsströmungen heutiger "Kunst im öffentlichen Raum" sind vielfältig, lassen sich aber im Grunde auf zwei Hauptlinien konzentrieren. Ein Pfad geht aus von der klassischen Außenplastik, also dem platz- bzw. ortsbestimmenden Denkmal, wie wir es seit der Antike bspw. als Reiterstandbild kennen. Diese großformatige Außenplastik erfährt ihre Erweiterung durch Kombination mit landschaftlichen Erscheinungsformen in der Gartenkunst, und hier besonders ab dem 18. Jahrhundert im englischen Landschaftsgarten. Denkmäler rücken hier als Blickpunkte in die Gartenlandschaft, ja man kann ganz allgemein sagen, dass Skulptur schon immer in besonderem Maße in die Gartenkunst einbezogen war.

In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass sich ein bedeutendes Werk skulptural geprägter Gartenbaukunst mitten im Wirkungsfeld der zeitgenössischen Arbeiten des Skulpturenwegs Rheinland-Pfalz befindet: im Verlauf der Moosalb liegt unweit von Trippstadt die Karlstalschlucht, ein wildromantisches Trümmermeer von Sandsteinmonolithen, zwischen denen sich der Bach seinen Weg gegraben hat. Einer der bedeutendsten deutschen Gartenarchitekten, Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823), unter anderem der Schöpfer des Münchener Englischen Gartens, hat für den Trippstadter Oberjägermeister, Freiherr von Haake, diese Schluchtenlandschaft gestalterisch inszeniert. Das Werk Sckells, geschaffen in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts, ist in seinen Grundzügen durchaus noch intakt und beeindruckt besonders durch die nach malerischen Gesichtspunkten angelegte Wegführung, die durch Brücken und Stege alternierend links und rechts der Moosalb das Tal zugänglich macht.

Ein wesentliches Werk des Karlstal-Symposions 1990, "Links und rechts der Moosalb", geschaffen von Marcus Centmayer und Jochen Kitzbihler, verfolgt übrigens im Konzept die Fortführung dieser als wichtig erkannten Tradition und deren Umsetzung in avantgardistisches Denken und heutige Formensprache.

Die zweite Entwicklungslinie der "Kunst im öffentlichen Raum", hier nun besonders in ihrer dezidierten Ausprägung als Skulpturenweg, geht aus von einem kunsttheoretischen Text Otto Freundlichs (1878-1943), den der Künstler unter dem Titel "Sculptures-Montagnes" bereits 1936 verfasst hat. Dieser visionäre, sozial-utopische Text kreist um die ideale menschliche Gemeinschaft, deren Kunstwerke in ein symbiotisches Verhältnis zur Natur treten. Freundlich handelt von "Skulpturen-Gebirgen", mit denen abstrakte Skulpturen landschaftlichen Ebenen ihren vertikalen Akzent geben. Er nennt diese zeitgenössischen Skulpturen in der Landschaft "moderne Menhire". Und dies stellt sich Freundlich zusammengefasst in zwei Skulpturenstraßen vor, die Europa in Nord-Süd- und West-Ostrichtung durchziehen. Die von Holland zum Mittelmeer verlaufende Straße nennt er "voie de la fraternité humaine" (Weg der menschlichen Brüderlichkeit). Wenngleich Freundlichs utopischer Text erst in den 60er Jahren rezipiert worden ist, gibt er den idealen Entwurf eines Skulpturenwegs vor.
Eng verbunden mit dem brüderlichen Ideal des Skulpturenwegs sind die Ideen von Bauhütten, künstlerischer Gemeinschaft und eben von Bildhauersymposien.

In der heute bekannten und gelebt/gemeißelten Ausführung ist das Bildhauersymposion tatsächlich 1959 von dem österreichischen Bildhauer Karl Prantl "erfunden" worden. Prantl entwickelte im Steinbruch des burgenländischen St. Margarethen bei der öffentlichen Arbeit vor Ort die Idee, nach dem Vorbild der antiken Symposien sich mit Bildhauerkollegen zu gemeinschaftlicher künstlerischer Arbeit in der Natur zusammenzufinden. Tatsächlich wurden die "Symposien europäischer Bildhauer", die über fast zwanzig Jahre bis 1977 in St. Margarethen stattfanden, vorbildhaft für viele internationale Bildhauersymposien, so auch für die Aktivitäten in der Saarpfalz, die mit Kaiserslautern und St. Wendel verbunden sind.

Wichtig erscheint im Zusammenhang eine grundlegende Einsicht: die "klassischen" Symposien waren zunächst, durch den jeweiligen Austragungsort Steinbruch, immer Bildhauersymposien. Die Ausweitung der Symposien zu Skulpturenwegen und Skulpturenstraßen führte auch zur folgerichtigen Einbeziehung anderer Materialien und damit zu völlig neuen Interaktionen zwischen Kunst und Landschaft. Mit Bildhauersymposien und Skulpturenwegen hat sich die Kunst - eben auch mit der besonders kritischen Phase ihrer Produktion - stärker als je zuvor in die allseits zugängliche Öffentlichkeit gewagt. Klar ist damit auch, dass die öffentliche Meinung darüber nun schneller, direkter, aggressiver auftritt: die Schärfe mancher Diskussion ist der Preis für das Verlassen der angestammten Kunstbezirke.

Natürlich gibt es neben dem reinen Unverständnis gegenüber der jeweiligen künstlerischen Äußerung auch den Vorwurf der Übermöblierung von Stadt und insbesondere Natur. Mancher redet gar der Verschandelung von Landschaft durch Kunst, analog der Windkraftparks, das Wort. Mit dem Schlagwort "drop sculpture" (abgestellte Skulptur) begegnet der verbreitete Verdacht, mancher mühe sich zuwenig um die notwendige Synthese zwischen Werk und Natur, will heißen, der Standort könne statt im Karlstal auch in der Sahara sein. Was paradoxerweise auch die Qualität des Werkes zeigen könnte. Hier rütteln wir - und hoffentlich wacht mancher auf - an einem Grundverständnis der modernen Kunst: Autonomie, ein hart erkämpftes Gut, mit dem wir die Funktionalität des Kunstwerks überwunden glaubten.

01 - Kopf / Uli Gsell
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02 - Liens / Martine Andernach
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03 - Visier-Kopf / Karl-Heinz-Deutsch
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04 - Schreitende / Christoph Mancke
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