Annet Kuska "Chimaera - Wer aus mir trinkt, wird ein Tier"

Thematische Ausstellungen | Dahn, Pfalz
16.02.2025 bis 16.03.2025

In ihren Bildern – meist sind es Grafiken oder Druckgrafiken – verbindet Annet Kuska häufig Menschliches und Tierisches. Die daraus entstehenden Wesen haben manchmal etwas von Mischwesen. Chimärenhaft bewegen sie sich über die Bildfläche, in einer Art bizarrer oder fabelhafter Prozession. In anderen Bildern erscheint das Tier eher als Begleiter oder sogar als „alter ego“, als tierischer Stellvertreter der dargestellten Person. Die Porträts von Tier und Mensch liegen übereinander, sie überschneiden sich, gehören somit zusammen und bleiben doch getrennt wahrnehmbar.

“Wer sind die? Was geht hier vor?”, fragt man sich beim Betrachten. Die Bildserien und Porträts wirken wie Ausschnitte aus märchenhaften Erzählungen. Die Frage nach einer Geschichte, die zu den dargestellten Figuren passt, drängt sich auf. Tatsächlich gibt es keinen Text als Grundlage für Kuskas Arbeiten, doch der narrative Impuls ist beabsichtigt, da er letztendlich die Frage an den Betrachter zurückgibt: Wer bist du? Und was geht hier vor?

„Damit ist das große Thema dieser Bilder benannt“, spannt Kuska den Bogen: „Die Frage nach der Identität einer Person, nach dem Prozess des Sehens und des Gesehenwerdens, nach einer Erzählung über Menschen – die dargestellten und die betrachtenden. Die Frage, was Identität ausmacht, sowie der Wunsch nach Veränderung und Verwandlung ist etwas zutiefst Menschliches.“ Durch die menschliche Kulturgeschichte hindurch lassen sich solche Vorstellungen und Hoffnungen immer wieder durch die Verbindung von Menschlichem mit Tierischem fassen – beispielsweise im antiken Ägypten durch die Darstellung von Göttern mit tierischen Köpfen oder der menschlichen Seele als Vogel. In schamanischen Zusammenhängen ist eine solche Vermischung üblich wie auch die Vorstellung sogenannter „spirit animals“ als Pendant zu unserer Persönlichkeit.

Manchmal fungiert das Tier als Projektionsfläche für die Erfahrung von Fremdheit, wie das bei spätmittelalterlichen Darstellungen von Menschen mit Hundsköpfen der Fall ist. Bei Kuska haben die Tiere eine eher positive Funktion: Sie verkörpern die Seele, das Wesen, manchmal auch den freien, ungehinderten Geist, die Unbändigkeit und Freude der Menschen, denen sie zugeordnet sind. Die Tiere sind der klassischen Konventionen des Sehens und Gesehenwerdens in der Porträtkunst enthoben, so sind sie freier, was zu einer Spannung führt mit dem menschlichen Teil oder der menschlichen Person, mit der sie in Verbindung stehen. Die Verunsicherung unserer Sehkonventionen, die insbesondere bei den Frauenporträts provoziert wird, macht diese Spannung erlebbar.

In den druckgrafischen Serien finden diese Gedanken ihren Ausdruck in fast karnevalesken, humorvollen Szenen, die ein wenig an Märchen erinnern, in denen die Grenzen zwischen tierischer und menschlicher Form ebenfalls nicht streng fixiert sind. An diesen Aspekt knüpft der Titel der Ausstellung durch das leicht abgewandelte Zitat aus dem Grimmschen Märchen „Brüderchen und Schwesterchen“ an. Im Märchen lebt das Tier Dinge aus, die dem Menschen verwehrt sind. Gleichzeitig ist es bedroht und daher besonders schutzbedürftig. Diese Ambivalenz von Kraft beziehungsweise Entfaltung einerseits und der Zerbrechlichkeit und Fragilität einer solchen Entfaltung andererseits zieht sich durch das gesamte Werk von Annet Kuska. Das eröffnet spannungsvolle Räume für fantasierendes Fragen und Träumen, aber auch für innere Reflexion und kritisches Betrachten.

Veranstaltungsort

Kreisgalerie Dahn
Schulstr. 14
66994 Dahn

06391-3222
Fax: 06331-809150
e.huber(at)lksuedwestpfalz.de

Veranstalter
Kreisgalerie Dahn